Wale

 

Wunderbarer Waltag

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Heute geht mehr als ein Traum in Erfüllung. Wir sind drei Walen ganz nahe gekommen. Sie waren zum Greifen nahe. Fünf Pottwale haben wir gesehen, zwei Zwergwale.

Die Walsafari in Andenes an der Nordspitze der Vesteralen genießt einen großartigen Ruf. Aus ganz Europa kommen Menschen hierher, da hier die Tiefsee besonders nah an den Europäischen Kontinent heran reicht. Man fährt nur eine Stunde hinaus und dann öffnet sich unsichtbar unter dem Schiff der Bleik Canyon, ein Tiefseegraben bis zu 1000 Meter tief. Und hier halten sich im Sommer mindestens 50 männliche Pottwale auf, da sie in der Tiefsee riesige Tintenfische finden. Davon braucht ein ausgewachsener Pottwal eine Tonne am Tag, 22 Stunden ist er mit Fangen und Essen beschäftigt, zwei Stunden schläft er. Alle zwei Stunden muss er an die Oberfläche, um Luft zu holen. Diese fünf bis sieben Minuten sind unsere Chance.






















Die erfahrenen Mitarbeiter der Walsafari lauschen mit Unterwassermikrofonen nach den Geräuschen der Wale. Sind sie geortet, muss man im Idealfall - so auch heute - nur an der Oberfläche warten und der Wal taucht zum Atmen auf. Der Aufenthalt folgt einem festen Ritual. Immer wieder atmet er durch ein Loch Luft aus und eine drei Meter hohe Fontäne kommt aus dem „Blas“, das der Pottwal links vorne am Kopf hat. Das Ritual wiederholt sich mehrfach. Dann plötzlich macht der Wal einen Buckel, taucht ab und hebt dabei die charakteristische Schwanzflosse in die Luft, bis er schließlich ganz abtaucht - übrigens bis zu 3000 Meter tief. Die Biologen fotografieren die Schwanzflosse, denn sie ist so etwas wie der Daumenabdruck der Wale. Anhand der Flosse kann man sie identifizieren. Oft sind die Flossen durch den Kampf mit Schwertwalen, den Orcas eingerissen. 400 Wale kamen so in den letzten 20 Jahren rund um Andenes zusammen, die man registriert und immer wieder identifiziert hat.

Dass die Pottwale sich hier vom Mensch kaum stören lassen, hat einen besonderen Grund. Ihr Fleisch schmeckt nicht besonders gut und deshalb werden sie nicht gejagt. Schließlich ist Norwegen eine der wenigen Nationen, die noch Wale jagt - in diesem Jahr wurden 700 freigegeben. Der Bestand der Pottwale wird weltweit auf bis zu eine halbe Million geschätzt. Gejagt werden in Norwegen ausschließlich die Zwergwale, von denen wir am Ende der Tour auch noch zwei ganz kurz sehen.

Begünstigt wird unser Wahlerlebnis durch das Wetter. Für die Vesteralen ist es eine der schönsten Sommerwochen seit Jahren, wird uns versichert. Tromsö in der Nähe erlebte in dieser Woche mit 25,6 Grad den wärmsten Tag seit fünf Jahren. Ideale Bedingungen heute. Es herrschen rund 20 Grad, kein Wind und so ist das Meer glatt und perfekt zur Wahlbeobachtung. Die Tabletten gegen die Seekrankheit bleiben heute in der Tasche. Ein perfekter Tag mit faszinierenden Tieren.























Hier unser Walwerbespot:














Wunderbarer Waltag


Unterwegs mit der Walsafari von Andenes auf den Vesterålen in Norwegen

Augsburger Allgemeine, Reise-Journal vom 22. September 2009


Von Axel Mölkner-Kappl


Schon seit Wochen überhäufen sie uns wieder mit ihren Prognosen, die Wahlbeobachter und Wahlforscher. Sie fischen oft im Trüben. Ganz anders auf dem Atlantik im Norden Norwegens, dort haben wir einen wunderbaren Waltag erlebt, ganz ohne Wahlverlierer.

„Diving“ kündigt ein Begleiter im Lautsprecher an. Woher er das weiß, wissen wir noch nicht. Doch er hat Recht. Wie in Zeitlupe senkt der Pottwal seinen Kopf in die Tiefe, drückt dabei seinen Rücken nach oben, sein massiger Körper verschwindet langsam. Fast scheint es, als sei er bereits ganz verschwunden, da kommt der Augenblick, auf den alle gewartet haben. Seine Schwanzflosse, die so genannte Fluke erhebt sich langsam majestätisch aus dem Wasser. Das Wasser tropf und läuft an der Schwanzflosse herunter, die Abendsonne lässt es glänzen. Und dann verabschiedet sich das massige Tier zum nächsten Tauchgang in die Tiefe. Der Pottwal stellt die Schwanzflosse senkrecht auf und sie gleitet ins Wasser, ohne große Spritzer, lautlos. Wer in diesem magischen Augenblick überhaupt die Ohren spitzt, hören allenfalls das Klicken der Fotoapparate und das Staunen der Zuschauer. Wie filigran hier ein Tier verschwindet, das 18 Meter lang und 45 Tonnen schwer werden kann.

Wir sind an Bord der M/S Reine, einem großen Fischkutter der Walsafari in Andenes. Andenes ist der nördlichste Punkt der Vesterålen, einer Inselkette in Norwegen, nördlich der Lofoten und des Polarkreis. Hier auf den Vesterålen wird es im Sommer zwei Monate lang überhaupt nicht dunkel. Und auch wir haben Anfang August einen herrlichen Sommertag erwischt. Kein Wind, der Atlantik spiegelglatt. Tabletten gegen die Seekrankheit brauchen wir heute nicht, erklären uns die Experten von der Walsafari. Auch unsere Wintermützen, Schals und Handschuhe werden wir an diesem Tag nicht auspacken – zur Sicherheit sollten sie aber immer dabei sein, schließlich geht die Tour hinaus auf den Atlantik und wir befinden uns in der arktischen Region.

Zuvor ein Besuch im Walzenrum Andenes, wo uns Ronny Gepse, Landschaftsökologe aus Leipzig mit seinen Kollegen das Leben der Pottwale näher bringt. Er arbeitet hier für einen Sommer und erfüllt sich einen Traum. Ein Pottwalskelett, 16 Meter lang, vermittelt uns eine Vorstellung von dem Großwal. 1996 war der männliche Pottwal hier tot an Land gespült worden.

Eine Stunde später geht es mit der Reine hinaus auf den Altantik. Unter uns öffnet sich unsichtbar eine Tiefseeschlucht, bis zu 1000 Meter tief, der Bleik Canyon. Ihm haben wir die Anwesenheit der ausschließlich männlichen Pottwale zu verdanken, die hier als Einzelgänger leben und 22 Stunden eines Tages mit Jagen und Essen verbringt, zwei Stunden schlafen sie. Hier findet der Pottwal in der Tiefe des Ozeans seine Leibspeise, riesige Tintenfische. Kein Mensch hat den Fang der Riesenkalmare und den Kampf mit den Pottwalen je beobachtet, erzählt uns Ronny, doch im Magen der Wale wurden die Tintenfische gefunden und auf manchen Pottwalen sieht man die Abdrücke der Saugnäpfe.

Die Walsafari von Andenes ist längst ein großes, hoch professionelles Unternehmen, das eine Walgarantie gibt. Findet man bei der fast 100 Euro teuren Tour keine Wale, darf man bei einer der nächsten Touren mitfahren, wenn Platz ist. 95 Prozent der Touren sind angeblich erfolgreich, so auch unsere. Und die Walsafari ist offensichtlich wesentlich lukrativer als der Walfang. Denn der spielt hier eine immer unwichtigere Rolle. Angeblich sitzen die norwegischen Walfänger auf großen Walfleischvorräten. Hier im Norden bekommt man in vielen Läden billiges Walfleisch.

Verzehrt wird vor allem der Zwergwal, dem Pottwal droht hier deshalb keine Gefahr. Der erste Pottwal, den wir sichten, ist noch weit weg. Doch die meterhohe Fontäne und sein Rücken sind auf dem glatten Meer weithin sichtbar. Der Walsafari hilft der Rhythmus der Wale. Rund 90 Minuten können sie in die Tiefsee tauchen, dann müssen sie wieder Luft holen. Bis der Sauerstoffvorrat wieder aufgefüllt ist, vergehen gut fünf Minuten. Unsere fünf Minuten! Mit Hilfe von Unterwassermikrofonen werden die Klicklaute der Pottwale geortet und das Boot in Position gebracht.

Schon unser zweiter Wal taucht unmittelbar vor unserem Boot auf. So nah kommen wir ihm, dass wir das Blasloch auf der linken Seite des Kopfes sehen können, aus dem er immer wieder Luft ausatmet. Seine Haut ist runzlig und grau und man bekommt eine Vorstellung davon, wie groß das Säugetier ist. Jedes Mal, wenn ein Pottwal auftaucht, um Luft zu holen, ist es ein Ritual. Ganz ruhig liegt er an der Meeresoberfläche und bläst immer wieder Luft heraus. Und dann beginnt das Schauspiel des Abtauchens von Neuem. Wortspiele rund um den Wal gibt es viele. Doch wer den Wal Tauchen sieht, dem fehlen dann doch die Worte. Ein wunderbarer Waltag!

Und wem dieses Erlebnis noch nicht reicht, der kann von Ende Oktober bis Mitte Januar Schwertwale bei den Lofoten beobachten. Die Orcas folgen den Heringsschwärmen. Im Sommer gibt es schließlich noch zehn Kilometer südlich von Andenes eine andere, ungewöhnliche Safari. Ein Fischkutter fährt mit fachkundiger Anleitung zum Vogelfelsen von Bleik hinaus. Der Himmel und das Meer ist voller wild herum schwirrender Vögel. Wer genau hinsieht, bekommt einen aus menschlicher Sicht witzigen, winzigen Vogel zu sehen. Der Pagageitaucher nistet in Erdhöhlen und hat einen markanten roten Schnabel und rote Beine. Geschätzte 80.000 Paare nisten alljährlich auf dem Vogelfelsen von Bleik. Und außerdem gibt es dort sechs Seeadler, die sich – Schicksal der Natur – von Papageitauchern ernähren. (Siehe Tagebuch 4, Dienstag, 4. August)

Mittwoch, 1. September 2010